Elementesymbolik am Beispiel eines Fensters
Dass ich eine besondere Schwäche für die vier Elemente habe, ist spätestens seit Erscheinen meines Buches „Feuer, Erde, Wind & Meer“ bekannt. Seit jeher fühlte ich mich von der Natur in allen ihren Erscheinungsformen inspiriert und beflügelt. Und zwar sowohl von jenen Erscheinungsformen, die ich mit meinen physischen Sinnen erlebe, als auch von ihren mannigfachen Spiegelungen in der menschlichen Seele. Oder ist es der Mensch, dessen Emotionen und Leidenschaften sich im Gebaren der Natur spiegeln? Ich weiß es nicht. In jedem Fall sind sich viele Mythen und Lehren der unterschiedlichsten Kulturen und Epochen einig: Das Wesen und die Seele des Menschen stehen in enger Verbindung zu den Naturgewalten und erfahren durch sie Beeinflussung und Prägung. Man denke nur an die Vier-Elemente-Lehre der griechischen Philosophen oder an die chinesische Fünf-Elemente-Lehre. Dennoch mag es zuweilen ganz hilfreich sein, wenn man – einem Kinde gleich – das reine Vernunftdenken überwinden und sich in diesem Bereich auch auf die Magie des Unbegreiflichen einlassen kann. Ganz besonders hier, im Reich der verschwimmenden Grenzen, des Paradoxons und der Mythen, liegt eine Welt, in die wohl kein fantasiebegabtes menschliches Wesen seinen imaginären Fuß setzen kann, ohne rettungslos ihrem inspirierenden Zauber zu verfallen.
So habe ich neulich in einem Garten eines älteren Privathauses in Niederösterreich dieses wundervolle „Sonnenauge“ (siehe Abbildung rechts) entdeckt! Ich nenne dieses kunstvoll gestaltete Fenster deshalb so, weil es mich enorm dazu inspiriert hat, seine Symbole zu deuten. Absolut bestechend finde ich zuallererst seine Ähnlichkeit mit einem Auge, am ehesten sogar mit einem Reptilauge. Da kann ich fast nicht an einen Zufall glauben, sondern gehe davon aus, dass der Künstler diese Wirkung so beabsichtigt hat. Die gläserne Iris lässt das Sonnenlicht ins Innere des Hauses fluten und den Ausblickenden dadurch „sehend“ werden. Dunkel umrandet, mit hellem Augenlid versehen, blickt das Auge schimmernd in den Garten des Hauses – auf die Natur und die Elemente. Und da bin ich schon bei meinem Lieblingsthema! Für mich ist dieses Fenster nämlich eine Ode an die vier Elemente, die ich in etlichen Symbolen wiedererkenne.
Für mein Empfinden steht der dunkelbraune Rahmen für das Element Erde, und die ineinander gearbeiteten Ringe symbolisieren sehr anschaulich die aus Molekülen zusammengesetzte Materie. Die gläserne, das Sonnenlicht einfangende Iris repräsentiert das Element Feuer und stellt es hiermit in den Mittelpunkt des Geschehens. Erde und Feuer also bieten dem Ausblickenden das Fundament, auf dem er den anderen beiden Elementen begegnen kann: Wasser und Luft, symbolisiert durch Fische und Vögel. Doch damit ist der Komplexität noch nicht genug! Ich denke, es kommt nicht von ungefähr, dass sich hier ein auf- sowie ein abtauchender Fisch zeigt und dass die Vögel gehen anstatt zu fliegen. Hier wird nochmals innerhalb der Elemente eine Verbindung hergestellt, denn alles ist miteinander verwoben. Der Fisch fungiert als Vermittler zwischen Wasser und Luft (Auf- und Abtauchen), der Vogel als Vermittler zwischen Erde und Luft. Genial, oder? Die Pupille als innerstes Zentrum des Sonnenauges blickt durch den sich um sie bewegenden Tanz der Elemente ins Leben hinaus. Das weiße obere Augenlid scheint den Betrachter freundlich aufzufordern, stets offenen Auges durch die Natur zu gehen, das Leben zu feiern und sich seiner Vielfalt zu erfreuen!
Ich besitze kein Kunstsachverständnis und weiß nicht, was der Erschaffer sich bei der Gestaltung des Fensters tatsächlich gedacht hat. Leider habe ich versäumt, mich näher nach dem Architekten oder Künstler zu erkundigen. Möglich, dass meine Interpretation mit seiner Intention wenig zu tun hat. Doch diese künstlerische Freiheit erlaube ich mir einfach, denn sie macht Freude! Und vielleicht kann ich damit ja auch den einen oder anderen meiner erwachsenen Leser inspirieren, seiner Fantasie wieder mehr kindhaften Spielraum zu geben und die Schönheit des Rätselhaften zu entdecken. Und dabei von der glatten Oberfläche der Dinge weg und tiefer hinab zu tauchen zu Ebenen, wo sich uns auf spielerische Weise noch so viel mehr zeigt als das Offensichtliche und Greifbare.
In jedem Fall werde ich bei nächster Gelegenheit Erkundigungen über dieses Fenster – mein Sonnenauge – einziehen. Ich bin sehr gespannt, welche Geheimnisse sich da vielleicht noch lüften lassen.
Einen Spätsommer der zauberhafte Blickfänge wünscht
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