Ich rede gerne, im Allgemeinen bin ich jedoch ein schweigsamer Mensch. Bei gewissen gesellschaftlichen Anlässen mag ich deshalb dem einen oder anderen durchaus als Langweilerin erscheinen. Das verkrafte ich. Hatte immer schon meine Probleme mit Small Talk, wobei ich sagen muss, mit den Jahren wurde ich lockerer. Manchmal liegt es auch einfach daran, dass es nicht mein Tag ist. Es kann gelegentlich aber auch damit zu tun haben, dass die Oberflächenthemen es nur selten schaffen, mein flatterhaftes Interesse aus seiner Höhle zu locken. Nicht zu allem gleich eine Meinung zu haben ist so eine andere Marotte von mir, und in den letzten Jahren scheint sich bei mir sogar eine Affinität dafür herauszubilden, ein und dieselbe Sache aus mehreren Perspektiven gleichzeitig betrachten zu wollen. Das ermöglicht es mir, allen Beteiligten Recht zu geben, jedem auf seine Weise. Ich korrigiere mich – nicht Recht zu geben – einen Anteil an der Wahrheit zuzugestehen, was etwas ganz anderes ist, du verstehst? Kritiker mögen mir das als naive Inkompetenz auslegen, kaschiert mit der Unwilligkeit, einen Standpunkt zu vertreten. Dem kann ich nicht wirklich widersprechen. Also schweige ich mich aus und mime den Gedankenwolf im harmlosen Schafspelz des Lang-weilers.

Was die Flammen meines Interesses jedoch schlagartig zu entfachen vermag, ist die Gegen-wart von Menschen, die es wagen, sich gedanklich und auch verbal auf fremde, unsichere Terrains zu begeben und althergebrachte Konzepte zu verlassen. Denen Aussagen wie „so ist das nun einmal“ nicht mehr genug sind. Die Ursprung und Entstehung wissenschaftlicher Belege anzweifeln. Die gern mit Themen jonglieren, die alles andere als rational nachvollziehbar, manchmal abgrundtief skurril oder gar skandalös sind. Die sich noch Fragen stellen – unverschämte Fragen – und vor allem Dinge in Frage stellen. Ich liebe sie, diese normalen Spinner und Träumer, die sich nicht von unserer Schulweisheit, der sogenannten Wissenschaft, Religion, Tradition oder ähnlichen starren Konstrukten beirren lassen, wenn es darum geht, Dinge aus einer völlig anderen Perspektive zu sehen als der herkömmlichen und anerkannten. Die auch keine Angst davor haben, sich zu blamieren, sollte sich ihre Theorie als blanker Unsinn herausstellen – die es einfach tun. Und zwar auch dann, wenn keine Claqueure in der Nähe sind und sie sich ganz weit außerhalb der mollig-weichen, Sicherheit verheißenden Schafwollaura der Masse befinden… Ach ja, und war nicht auch die Kugelform der Erde einmal eine Verschwörungstheorie?! Haha, ich lach mich tot.

Wenn du magst, können wir uns also ins Gras respektive in den Schnee setzen und über die wirklich wichtigen Dinge plaudern. Zum Beispiel, wann dir zum letzten Mal vor Lachen die Tränen über die Wangen gelaufen sind.

Oder wir schweigen einfach und lauschen dem Ticken der Uhr. Oder unseren Gedanken. Oder langweilen uns.

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